24
Dez
2005

24. Türchen - Stille Nacht

Die Kinder schlafen. Im Ofen bruzeln zwei Schwerfisch-Steaks. Der Sekt ist gut gekühlt und die erste Flasche schon halb leer. Eine Krabbencremesuppe kam dieses Jahr ausnahmsweise aus der Dose. Die Vorbereitungen auf den Besuch von Tante Gerda, Onkel Robert und meiner dahinfließenden Schwester haben den ganzen Vormittag in Anspruch genommen. Aber dann war alles bereitet und wir konnten mit den Kinder eine ruhige Bescherung und ein paar nette Stunden bei Plätzchen und Tee verbringen.

Der Plan: Wir sind zu viert. Cordula - ohne Mann, Silvia - ohne Freund, Tante Gerda und Onkel Robert. Das macht zusammen acht Mann am Tisch. Wenn wir uns schmal machen bekommen wir 18 unter. Und die werden es auch sein am ersten Feiertag.

1. Anruf: Die Gans ist abbestellt. Das kostet zwar eine kleine Gebühr, weil die schon fast auf dem Weg in den Ofen war. Aber das ist es uns wert.

2. Anruf: Silvia war schnell überzeugt, wir sind die Gastgeber und wir freuen uns auf Ali, und seine Schwester und deren Freund. Damit sind wir bei 12 Personen.

3. Anruf: Die neue Halbtagskraft hatte ihr Coming-Out vor nicht all zu langer Zeit. Die Familie heißt die Beziehung nicht gut. Sie und ihre Freundin freuen sich sehr auf Weihnachten mit Familienanschluß. Damit waren die Plätze 13 und 14 weg.

4. Anruf: Eben erst zugezogen ist ein nettes Paar, dessen beide Kinder so alt sind wie Paul und Paula. Die jüngere geht mit Paula in den Kindergarten. Die Mutter erzählte, das dass Geld dieses Jahr nicht reicht für eine Fahrt zu den Verwandten. Damit waren die Plätze 15 bis 18 auch besetzt.

Die Regeln: Gschenke sind verboten. Erlaubt sind nur Weihnachtsgeschichten, die wirklich passiert sind. Das Menü ergibt sich. Jeder bringt was mit, was es tradidionell zu Weihnachten gibt. Oder noch besser, was es eigentlich immer schonmal zu Weihnachten hätte geben sollen.

Cordula muss damit Leben, dass die junge Familie, die sich die Reise zu den Verwandten nicht leisten kann aus Danzig stammt. Onkel Robert darf sich mit den Silvias zukünftiger Verwandtschaft anfreunden und Die Halbtagskraft und ihre Freundin werden Tante Gerda die "Frohe Weihnacht!" hoffentlich im Hals stecken lassen.

Die zweite Flasche Sekt ist leer. Die Nacht still. Mögen Sie kommen.

23
Dez
2005

23. Türchen - Gäste

Onkel Robert der zu seinen rassistischen Sprüche Hasenhälse knabbert. Das letztjährige Weihnachten erscheint mit mal in goldenem Licht. Cordulas Trennung und der tote Karpfen waren zuviel für Tante Gerda. Sie erklärt sich Außerstande die Weihnachtsfeierlichkeiten in ihrem Haus abzuhalten. Kurzes Aufatmen bei uns. Doch dann: Sie kommen alle zu uns. Außer Ali und Thomas. Der eine darf nicht, weil er Ausländer ist, der andere will nicht, weil er Ausländerinnen schwängert. Bleiben: Silvia, die redet ohne sich selbst zuzuhören. Cordula, die immer das gleiche redet (Aber er wollte doch nie ein Kind!). Onkel Robert, dessen Gerede niemand hören will. Und Tante Gerda, die immer nur "Fröhliche Weihnachten!" hört. Die Geschenkefrage bleibt ungeklärt. Die Menüfrage klärt Tante Gerda: Was mit gutem Willen nicht geht, muss mit Geld gehen. Gans "Bismarkt" mit Maronen und Rotkohl kommt vom einzigen Sterne-Restaurant direkt ins Haus geliefert.
Petra und ich sind sprachlos und trinken Bier.

22
Dez
2005

22. Türchen - Solo

Meine Schwester kommt solo zu Tante Gerda. Eigentlich keine ungewöhnliche Nachricht. Allerdings betrifft sie in diesem Jahr nicht die Kleine, sondern Cordula, meine große Schwester. Thomas' Firma hat nicht nur nach Osten expandiert, er hat sich persönlich in den Aufbau der Geschäftsbeziehungen eingebracht und die dreiundzwanzigjährige Marketing-Assistentin eines eben aufgekauften polnischen Unternehmens geschwängert. Cordula hat er das, mit dem Koffer in der Hand, gestern abend verkündet, schon auf dem Weg zum Flughafen, zum Flug nach Warschau, zur Weihnachtsfeier in den Karpaten in der neuerworbenen polnischen Großfamilie. Justyna, die junge Mutter, hat sechs Geschwister und ist bereits dreizehnfache Tante.

Die väterliche Mitschwangerschaft erklärt die Übelkeit im Angesicht der Schoko-Cognac-Spucke-Pappe nur unzureichend. Wirft aber ein neues Licht auf die enthusiastischen Berichte auf die Osterweiterung der Firma.

Die Kleine bot an diesmal ersatzweise ihren Freund mitzubringen. Onkel Robert fragte am Telefon kurz "Ali?" Silvia war hoch erfreut, dass er den Namen noch erinnerte und umso bestürzter, als er sie fernmündlich anbrüllte, er dulde keinen Ausländer in seinem Haus. Jetzt erst recht nicht mehr.

Sowohl die Geschenkfrage als auch die Menüplanung sind völlig offen. Onkel Robert berichtet jedem von seinem Kampf mit dem Karpfen im Straßengraben, als handele es sich um Samson und den Löwe, Cordula wird von nicht enden wollenden Weinkrämpfen geschüttelt und wimmert immer wieder: Aber er wollte doch nie Kinder! Tante Gerda erlitt am Nachmittag einen leichten Schwächeanfall. Petra und ich haben mit den Kindern den Baum geschmückt und uns wechselseitig die Ereignisse, die unser weiterhin verschneites Haus telefonisch oder per E-Mail erreichten, berichtet. Nach Alkohol stand uns nicht der Sinn. Es scheint, wir brauchen bald einen klaren Kopf.

21
Dez
2005

21. Türchen - Karpfen

Der Schnee fällt weiter. Schlechte Nachricht oder gute Nachricht: Onkel Robert hat den karpfen geholt und in einer Platikwanne auf dem Beifahrersitz nach Hause bringen wollen. Der Fischzuchtbetrieb liegt etwas außerhalb und bei dem Versuch sich aus einer Schneewehe zu befreien rutschte Onkel Robert mit dem Wagen eine kleine Böschung hinab. Passiert ist im nichts. Allerdings blieb der Wagen so unglücklich liegen, dass Onkel robert von der Feuerwehr befreit werden musste.
Der Karpfen indes war beim Böschung-runterrutschen aus der Wanne geglitten und sprang nun mit letzter Kraft dem Tür öffnenden Feuerwehrmann entgegen. Der erschrak mächtig und trat mit seinen Feuerwehrstiefel heftig auf das zuckende Tier, das so einen vorzeitigen Tod fand und für eine kulinarische Weiterverarbeitung nicht mehr geeignet ist.
Onkel Robert brauchte erstmal ‚nen Schnaps und die Menüdiskussion ist auf’s neue entbrannt. Allerdings sind vorbestellte Delikatessen nicht mehr zu bekommen. Fraglich ist, ob ein Supermarkt noch erreichbar sein wird. Tante Gerda ist in Auflösung.
Der Schnee fällt weiter.

20
Dez
2005

20. Türchen - Schneefall

Über Nacht hat es geschneit. In unseren Breitengraden eher unüblich. Die Kinder drücken sich seit 6 Uhr die Nasen an den Scheiben platt. Das Radio meldet Schneechaos auf allen Straßen. Ich habe eine dreivirtel Stunde Schnee geschippt. Bis zum Auto habe ich es geschafft, aber wegfahren war nicht. Das Radio meldet: Schulfrei für unseren Stadtteil. Petras Büro (auf einem Berg gelegen) ruft an: Unerreichbar, bei dem Wetter.

Wir warten noch eine Stunde, bis es hell ist, dann geht es in den Garten zum Schneemann bauen. Als drei davon stehen, haben wir rote Nasen und kalte Ohren. Drinnen gibt es Kinderpunsch und Glühwein. Am Nachmittag setzt neuer Schneefall ein. Mein freigeschippter Weg ist bald nicht mehr zu erkennen.

Zum Bratapfel gibt es nochmal Kinderpunsch und Glühwein.

We are dreaming of a white weekend... but what the hell about x-mas?

19
Dez
2005

19. Türchen - Weihnachstessen III

Tante Gerda gibt den Menüplan bekannt. Karpfen, wie nicht anderes zu erwarten war. Das Tier wir Mittwoch geliefert und soll noch drei Tage in ihrer Badewanne einen schönen Lebensabend verleben. Tante Gerda bitte mich, am Heiligen Abend morgens vorbei zu kommen und ihr den Karpfen zu erlegen und auszunehmen. Kochen will sie ihn selbst. Ich sage zu und frage mich, ob mir Hasen abziehen oder Karpfen ausnehmen lieber wäre. Also ich das Telefon hinlege und Petra berichte, schaut sie mich unendlich traurig an und meint, das wirklich schlimme sei: Weihnachten sei schon Ende der Woche und wir hätten immer noch keinen Fluchtplan.

Stimmt! Gebe ich zu, holen den Sekt aus dem Kühlschrank lasse ihn knallen und sagt: Aber immerhin haben wir uns. Und das nun schon neun Jahre! Danke dafür!

18
Dez
2005

18. Türchen - Hexenschuß

Den Weg vom Dampfzug zum Straßenbahn habe ich mit einem Trolly überbrückt. Den Weg von der Straßenbahn zum Haus habe ich unteschätzt. Petra hatte die Kinder an der Hand, ich den Baum auf der Schulter. An der letzten Wegbiegung machte es "Knack", aber das war leider mein Rücken, nicht der Baum. Den Tag heute habe ich am dem Sofa verbracht. Mit regelmäßig ausgetauschten Wärmeflaschen, wechselweise einem anderen Kind dabei, dem ich Bücher vorlas und immer wieder liebevoll von Petra veräppelt. Nachmittags gabs Kekse und Tee und Petra und die Kinder haben dem Baum geschmückt. Zwischendurch haben Petra und ich beschlossen, uns nichts zu Weihnachten zu schenken. Demonstrativ. Wenn schon keine Feierlichkeit, dann auch keine Geschenke. Außer ein paar Kleinigkeiten, damit wir am heiligen Abend, wenn wir mit den Kinder Bescherung machen, auch was zum Auspacken haben. Petra schlug Handgranaten und Molotowcocktails vor. Handgranaten sehen sehr hübsch aus und man könnte sie als Christbaumschmuck tarnen. Molotowcocktails könnte man selber basteln. Damit wärem dem Anspruch auch genüge getan. Und in die Luft flögen dann Tante Gerda und Onkel Robert. Das Lachen tat sehr im Rücken weh.

17
Dez
2005

17. Türchen - Weihnachtsbaumkauf

Die Idee konnte nur schwachsinnig sein. Terffpunkt morgens um 9 Uhr am Bahnhof. Anwesend sind nur Familien mit Kindern. Alle Kinder wollen einen Fensterplatz. Der Zug fährt mit einer halbstündigen Verspätung ab. Zu sehen ist nichts, weil die Rauchwolken der Dampflok die Aussicht versperren.
Am Zielort werden alle Väter mit einer Säge ausgestattet. Warum keiner eine Axt bekommt, erklärt sich, als alle Familien in ein Gehege gesperrt werden und sich nun jeder einen Baum aussuchen darf. Das Problem: Väter, Mütter und Kinder müssen sich auf einen Familienbaum einigen, der weder zu groß noch zu klein ist. Petra und ich sind uns schnell einige. Auch darin, die Entscheidung nicht mir den Kindern zu diskutieren, sondern sie mit dem Verweis auf das nahegelegene Karussell aus dem Pferch zu locken. Mit zwei, drei Ellenbogenhieben erreichen und verteidigen wir den Baum unserer Wahl. Setzen die Säge an und machen uns auf den Weg zu Karussell und Glühwein. Heute fährt uns ja die Dampflok Heim.
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