8
Dez
2005

8. Türchen - Weihnachtsgeschenke I

Meine kleine Schwester schlägt per E-Mail vor dem Konsumrausch
entgegenzuwirken. Jeder soll sich etwas wünschen dürfen. Aber nichts konkretes. Eher etwas allgemeines, das dem Schenkenden auch noch Entfaltungsmöglichkeiten lässt. Sie schlägt vor eine Excel-Tabelle zu erstellen mit Fragen und Kategorien. Die Tabelle hängt der E-Mail auch gleich an. Da soll dann jeder ankreuzen, was er mag oder was nicht, als Auswahlmöglichkeiten schlägt sie eine Skala von +++ bis --- vor. Dann soll gewichtelt werden, wer wem was schenkt. Der Schenkende muss dann was finden, was zu der Auswahl passt. Also: Auf keinen Fall aus Holz, nicht zu süß, zum an die Wand hängen und ob eine Pflanze oder gekauft ist egal. Oder so. Ich habe die Excel-Tabelle gelesen und werde erstmal abwarten, was passiert.

7
Dez
2005

7. Türchen - Im Turnverein

25 Kinder, die diesmal in Schornsteine klettern, Geschenke transportieren, Schlitten fahren. Leben ist in der Turnhalle. Die Eltern am Rand oder als Hilfestellung an den Geräten. Hier ergibt sich eine sehr klassische Zweiteilung:

Die Männer stellen fest, dass die Weihnachtstage extrem arbeitgeberfreundlich sind, das man wohl bis zum 23. arbeiten muss, dass es wohl wieder keine Zeit gebe, in Ruhe Weihnachtsgeschenke zu kaufen, aber ja nun auch Douglas einen Online-Shop habe, der in neutraler Verpackung an die Packstation bis zum 24. liefert.

Die Frauen haben Stress, weil Grundschule und Kindergarten mal wieder die Termine für die Weihnachtsfeiern nicht abgesprochen haben, der aktuelle Fleischskandal jegliche Menüplanung unmöglich macht, die arbeitenden Ehegatten die Weihnachtsbeleuchtung aufgrund der gestiegenen Energiekosten nur noch für täglich zwei Stunden genehmigen. Für die Männer eine ziemliche Milchmädchenrechnung, da daher deutlich mehr in Mistelzweige, Türkränze und Hauseingangstreppenengelchen investiert wird.

Zum Abschluss gib es noch das Lied die Weihnachtsbäckerei als Rollenspiel und das Lied vom Nikolaus der viel zu tun hat. Peter, alleinerziehender Vater und Leiter der Turngruppe, nutzt es, um zu erklären, warum es in der Turngruppe diese Jahr keinen Geschenke gibt.

6
Dez
2005

6. Türchen - Nikolaus

Das Problem älter werdender Kinder: Sie gehen später ins Bett und wollen dennoch vom Nikolaus überrascht werden. Mama und Papa müssen also länger aufbleiben, um geheimniskrämerisch zu tun. Das Problem immer noch kleiner Kinder: Sie wissen schon, dass Mama und Papa der Nikolaus sind, gehen damit aber kreativ um. In meinen Schuhen fand sich heute eine kleine Überraschung von Paula. Leider hatte ich verschlafen, war in Eile und bemerkte die Mandarine erst, als ich den Schuh schon am Fuß hatte. Und leider war Paula so nett gewesen und hatte die Mandarine vorher für mich geschält.

5
Dez
2005

5. Türchen - Fernweh

Paula ist heute anstandslos in den Kindergarten gegangen. Sie war sogar stolz auf ihre Narbe. Auf dem Weg vom Büro zum Kindergarten komme ich an einem Reisebüro vorbei. In der Auslag: Angebote für Weihnachtstag im Süden. Eine Woche HP in einer ****-Anlage nur 4 Flugstunden entfernt. Der Gedanke ist reizvoll. Ich gehe hinein und stopfe einen Stapel Kataloge in meine Tasche. Zuhause steht dann Weihnachtsdekoration an. Paula erklärt, dass ein Engelchen die Geschenke bringt und dass das Engelchen vom Himmel aus sehen kann, wo die Kinder wohnen. Paul, der sich ansonsten zur Zeit nur für Ritter, Wikinger und Fußball interessiert, baut akribisch genau den Weihnachtsstrauß nach, den er schon die letzten zwei Jahre hatte - und meint, das schöne an Weihnachten sei ja auch, dass sovieles jedes Jahr gleich ist. Ich glaube, ich kann die Kataloge in der Tasche lassen.

Am Abend füllen Petra und ich die frisch geputzten Schuhe unserer Kinder und stellen unser daneben.

4
Dez
2005

4. Türchen - Adventstee

Auch hier hatte ich stutzig werden können, aber die Einladung kam unscheinbar per E-Mail und um Terminproblemen vorzubeugen schon Mitte Oktober. Damals hatte ich den Termin kurz mit Petra abgesprochen und dann in den Familienkalender in der Küche eingetragen. Zur besten Kaffeetrinkenszeit standen wir dann heute mit zwei feierlich herausgeputzten Kindern vor der Wohnungstür meiner älteren Schwester und hofften auf ein schnelles Ende des Nachmittages.

Silivia, meine kleine Schwester, war bereits eingetroffen und redete. Offenbar hatte sie nicht bemerkt, dass Cordula, die Gastgeberin, den Raum verlassen hatte, um uns zu öffnen und Thomas, Cordulas Langzeitlebensabschnittsgefährte, es wohl schon seit längerem vorzog in der Küche Tee zu kochen.
Silvia ließ sich auch durch unsere Ankunft nicht in ihrem Redeschwall bremsen, der -wie ich vermutete- von ihrem jüngsten Verflossenen oder ihrer jüngsten Eroberung handelte. Mit leichter zeitlicher Verzögerung betraf das aber die gleichen Männer und ich hatte bereits kurz nach Sivlias Zwischenprüfung an der Uni aufgehört mir die Namen und Details zu merken. Das hatte mich dann auch davor bewahrt einzelne Verehrer, denen ich dann doch begegnet war, mit Sachkenntnissen zu konfrontieren, die sie nicht betrafen, sondern ihr Vorvorgänger.

Während Silvia also redete stürmten Paul und Paula zu Thomas in die Küche. Paula wollte heflfen den Tisch zu decken. Paul stürzt sich auf die Schokolade, bemerkte aber erst das es Cognacbohnen waren, als er bereits sieben im Mund hatte. Als ich die Küche betrat lief die Schokoladen-Cognac-Spucke-Mischung gerade die Küchentür hinunter und Thomas schien kreidebleich zu überlegen, ob der das Spültuch, das er noch geistesgegenwärtig gegriffen hatte, nun zum Aufwischen oder hineinkotzen benutzen sollte, oder ob er einfach auf Klo stürzen sollte, um sich dort zu erleichtern und sich erneut zu schwören, dass er noch mindestens fünf Jahre Zeit habe, bevor Cordula und er über das Kinderkriegen nachdenken mussten. Schließlich waren sie beide erst siebenunddreißig.

Der Nachmittag endete erfreulich früh. Während wir uns mit Tee und Kuchen beschäftigten und erfolglos bemüht waren Paul und Paula daran zu hindern ihre Schokoladenverschmierten Hände an Cordulas weißen Weihnachtsstuhlhussen abzuwischen, redete Silvia weiter. Ich meine mich zu erinnern, dass es eher um den aktuell verflossenen und weniger um den zu erwartetenden neuen Vereherer ging. Vom Zwang am Kaffeetisch sitzen zu müssen befreit und mit der Erlaubnis Thomas' Videospiel im Wohnzimmer spielen zu dürfen, stürmten Paul und Paula aus dem Zimmer. Beim Kampf die Spielekonsole als erste zu erreichen stolperte Paula und landete kopfüber im neuen gläsernen Couchtisch. Der Tisch war zerbrochen, die Platzwunde an der Stirn war schnell und mit 4 Stichen genäht und wir waren früher als erwachtet zu Hause. Es hätte schlimmer kommen können.

3
Dez
2005

3. Türchen - Adventkalender

Doch das Jahr hatte neu begonnen. Wir hatten Karneval gefeiert und die Weihnachtsfeiern vergessen. Der Frühling war gekommen und die wärmende Sonne hatte uns milde gestimmt. Im Sommer waren die letzten Reste der Erinnerung in der Sonnenglut des Südens verbrannt. Und nun saßen die Kinder schon mit dem dritten Säckchen vom Kalender am Frühstückstisch und nestelten die Bänder auf. Ein ruhiger Samstagmorgen konnte das werde. Doch dann gellte Paulas Schrei auf. Paul hatte nicht, wie in den Jahren zuvor, alle seine Säckchen geöffnet und aufgegessen. Nein, er war rafinierter geworden. Er hatte alle Säckchen von Paula geleert und um den Raub wenigsten kurzfristig zu vertuschen, kleine Kieselsteine an die Stellen der Süßigkeiten gelegt.

Und nun? Pauls Kalender an Paula geben? Und riskieren, dass auch der in zwei Tagen leer ist? Pauls Kalender unter beiden aufteilen? Oder Paulas Kalender wieder auffüllen? Gar nicht so einfach. Petra und ich diskutieren die Lage bei einem weiteren Milchkaffee und entschließen und für: Auffüllen. Gucken wir mal, wie das weiter geht. Petra kocht Tee und es ruhig. Kann ja eigentlich nur die Ruhe vor dem Sturm sein.

2
Dez
2005

2. Türchen - Rückblende

Das Ende im letzten Jahr: Der Schwur nie wieder Weihnachten "im Kreise der Familie" zu feiern. Nie wieder!

Es war ja nicht nur so, dass die Genickknochen der Hasen knacken, wenn Onkel Robert sie abknabberte. Im letzten Jahr hatte Paula verstanden, dass es sich bei dem Braten um Hasen handelte. Sie hatte Onkel Robert wüst beschimpft, wie er nur den Osterhasen kochen und uns zum aufessen vorsetzen könne, war mit der Drohung uns alle zu hassen und nie wieder mit uns zu reden aus dem Zimmer gestürzt. Tante Gerda hatte sie aufgehalten und ihr gesagt, es seinen Kaninchen, keine Hase. Sie wusste nicht, dass es Paula sehnlichster Wunsch war, ein eigenes Kaninchen in einem kleine Stall zu halten.

Silvia, meine kleine Schwester, war ohne neuen Freund erschienen. Petra und ich mutmassten heimlich, der neue sei schon wieder abgelegt. Gerda fragte aber immer wieder, was er denn mache, der Alex. Silvia antwortet, was Ali mache, bis Onkel Robert meinte, Ali, könne er doch wohl nicht heißen, das höre sich doch eigentlich sehr türkisch an. Es enstand eine Stille. Danach verließ Silvia vorzeitig die Weihnachtsfeier.

Cordula und Thomas waren gerade wieder sehr erfolgreich, weiß gekleidet und kosmopolisch im neuen Wagen vorgefahren. Thomas referierte über seine neusten Errungenschaften für seine Firma, seine Expansion nach Osteuropa und das nahende Ende der Kanzlerschaft Schröders, spätestens nach der NRW-Wahl. Onkel
Robert murmelte regelmässig, das Ali doch ein türkischer Name sei und das nach der Wahl entlich wieder ein richtige Mann Kanzler werde, wenn es der Strauß schon nicht geschafft habe, dann jetzt eben der Stoiber.

Petra und ich schenkten uns wechselseitig Rotwein ein. Der kam aus Südfrankreich, war sehr gut und stieg uns beiden zu Kopf. Als Petra meiner großen Schwester Cordula davon über den weißen Alpakaka-hastenichtgesehen-Pullover goß, musste ich mir eine längere Rede anhören, was ich den da geheiratet habe. Ich konnte
immerhin entgegen, dass wie nicht geheiratet hätten. Die Erwähnung, dass Petra und ich es aber zu zwei -wie wenigsten wir fanden- zwei sehr netten Kinder gebracht hätten, so im Gegensatz, ließ dann die Stimmung auf den Nullpunkt sinken. Onkel Robert meinte, Kinder brauche man heute nicht mehr selbst zu machen. Wenn man so erfolgreich sei wie Thomas, könne man die auch
in China bekommen.

Manchmal ist es ein Segen, dass Onkel und Tante nur vier Stationen mit der S-Bahn entfernt wohnen. Zuhause brachten wir den Kinder ins Bett und stellten erfreut fest, dass wir unabhängig voneinander jeder eine Flasche vom Rotwein in die Manteltaschen hatten gleiten lassen. Wir schafften zwar nur noch eine halbe Flasche, stießen aber bei jedem Schluck aufs neue an und gelobten:
Nie wieder!

1
Dez
2005

1. Türchen - Der Schreck

Nein, heilsam war er nicht der Schreck, der mich durchfuhr, als Anfang September - ich hatte noch den Sand des Sommers zwischen den Zehen und den Geruch der Sonne in der Nase -, die ersten Weihnachtsplätzchen und der erste Christbaumschmuck in den Auslagen der Geschäfte auftauchte. Ich reagierte auch noch nicht, als Mitte November auf dem Rathausplatz die Bretterbuden für den Weihnachtsmarkt aufgestellt wurden und eine noch unbelebte Geisterstadt bildeten.

Ich ließ die Tage weiter unachtsam verstreichen und plauderte auch gestern Abend noch fröhlich mit Petra beim füllen der 48 Säckchen mit Süßkeiten für die Adventkalender der beiden Kleinen. Erst als wir die beiden Bilder, die wir einst einem Straßenhändler in Palma abgekauft hatten, von der Wand nahmen und die Adventkalender aufhängten, war uns beiden klar, dass der Countdown begonnen hatte, der nun gnadenlos ablaufen würde und der traditionsgemäß am 1. Weihnachtstag mit drei toten gebratenen Hasen auf dem festlich gedeckten Tisch bei Onkel Robert und Tante Gerda enden würde.

Wir sahen die Adventkalender eine Weile an und sagten nichts. Wahrscheinlich trug auch Petra sich mit Fluchtgedanken.
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